Müsli, Porridge, Overnight Oats, Haferbrei – viele Namen gibt es für die Zubereitung von Getreide und Pseudogetreide. Dazu kommen Brot, Nudeln und andere Backwaren, die ebenfalls zum größten Teil aus Getreide – mal mehr, mal weniger vermahlen – bestehen. Getreide steckt voller Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und ist der wichtigste Lieferant für Kohlenhydrate. Kohlenhydrate sind DER Treibstoff unseres menschlichen Organismus.
Zurück zu den Lebensmitteln, die Getreide enthalten. Was haben diese denn neben dem Rohstoff sonst noch so gemeinsam? Müsli, Haferbrei, Brot? Richtig. Alle diese Lebensmittel sind entweder eingeweicht oder gegart (gebacken), einige sogar fermentiert (Sauerteig) oder vorgekeimt. Und, ihr ahnt es, das ist nicht etwa Zufall. Obwohl ich mich oft schon doch frage, wieso die Menschen oftmals genau die physiologisch sinnvolle Zubereitungsform gewählt haben…
Nein, Getreide (und das gilt genauso auch für Hülsenfrüchte) sind roh wenig bis gar nicht verdaulich und vor allem enthalten sie Stoffe, die die Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen im Darm verhindern. Und den bekanntesten unter ihnen möchte ich euch gleich genauer vorstellen.
Superkorn
Doch zunächst wollen wir mal schauen, was denn da überhaupt drin ist im Getreide. Getreide und Getreideproduktegehören zur Basis der Ernährungspyramide, weil sie der beste Lieferant für Kohlenhydrate sind. Neben diesen, liefert Getreide aber auch Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe und nimmt insbesondere bei der rein pflanzlichen Ernährung eine wichtige Rolle ein. Z.B. ist Getreide der wichtigste Lieferant für Zink. Aber auch Eisen und Calcium sind neben langkettigen Fettsäuren wertvolle Nährstoffe aus dem Getreide.
Nun wird Phytinsäure als Getreidebestandtteil immer wieder als Gegenargument gebracht, wenn es darum geht, ob eine ausreichende Nährstoffversorgung aus Getreide bei einer rein pflanzlichen Ernährung überhaupt möglich ist. Weit verbreitet ist das Schreckgespenst Phytinsäure als antinutritiver Nährstoff auch heute noch in der Ernährungswissenschaft. Doch was ist denn diese Phytinsäure überhaupt?
Wer hat Angst vor Phytinsäure?
Phytinsäure gehört zu den bioaktiven Substanzen und sekundären Pflanzenstoffen. Außer im Getreidekorn kommt sie auch in Hülsenfrüchten und Saaten vor. Und was sind sowohl Getreidekörner, Bohnen, Linsen und Sonnenblumenkerne? Ganz genau: Samen der jeweiligen Pflanzen. Und was benötigt ein Samenkorn um vom Keimling zur Pflanze wachsen zu können? Klar, genau das, was auch ein tierisches Lebewesen benötigt: Nährstoffe. Damit genug Vitamine und Mineralien für den Keim zur Verfügung stehen, gibt es Stoffe, die diese langfristig im Keim speichern. Und dazu gehört eben genau unsere Phytinsäure. Phytinsäure bindet Phosphat und Kationen wie Magnesium und Kalium. Für den Keimling ist das super, für die menschliche Ernährung weniger optimal, denn die Phytinsäure bindet neben Magnesium und Kupfer auch Zink, Eisen, Calcium und Selen zu schwerlöslichen Komplexen, so dass diese Mineralstoffe nicht oder nur noch schwer für den Körper verfügbar sind. Die Bioverfügbarkeit sinkt.
Was tun?
Der Keimling muss ja auch irgendwann mal an die Mineralstoffvorräte, sonst wäre das ganze Bunkern von Mineralien ja witzlos. Deshalb liefert das Getreidekorn den passenden Schlüssel schon mit im Gesamtpaket: das Enzym Phytase. Phytase muss nun nur noch mit der Phytinsäure in Kontakt kommen können. An dieser Stelle kommt endlich die Zubereitungsart ins Spiel: Mahlen oder Quellen/Einweichen zerstört den Zellverband und die Phytase kann die Phytinsäure abbauen. Garen zerstört zusätzlich die Struktur der Phytinsäure und Mikroorganismen wie Hefe oder Milchsäurebakterien vermögen durch einen Gärprozess ebenfalls Phytase zu bilden und die Phytinsäure abzubauen. Durch diese mechanischen Verfahren lässt sich der Phytinsäuregehalt schon mal ordentlich senken.
Zusätzlich gibt es wiederrum anderen Nährstoffe, die die Aktivität der Phytinsäure hemmen. Dies sind z.B. Vitamin C, Fruchtsäuren oder schwefelhaltige Aminosäuren aus Proteinen. Was bedeutet das für deinen Speiseplan? Nimm eine Handvoll Nüsse oder reifes, süßes Obst (ideal sind Beeren) zu deinem Porridge. Auch Gemüse enthält Fruchtsäuren und das Provitamin A (ß-Carotin) wurde sogar ebenfalls mit einem Phytinsäure hemmenden Effekt in Verbindung gebracht. Brot mit Möhren ist lecker, Brot mit Nüssen oder Beeren ist sogar eine richtig raffinierte Angelegenheit.
Übrigens hat die Phytinsäure so wie die meisten sekundären Pflanzenstoffe auch gesundheitsförderliche Wirkungen: antioxidativ, immunmodulierend, cholesterinsenkend, blutzuckerregulieren und potentiell antikanzerogen. Ob man da noch guten Gewissens von einem antinutritiven Nährstoff sprechen kann *zwinker*?
Ein Wort zum Schluss
Es versteht sich von selbst, dass ich bei Getreideprodukten IMMER von Vollkorngetreide spreche. Seien es Nudeln, Brot, Brötchen oder Reis, es gibt absolut gar keinen Grund, für die Ernährung die hoch vermahlene Variante zu wählen. Ich sage mit Absicht “für die Ernährung”, denn Kuchen und Gebäck ist nicht nötig für die Ernährung unseres Körpers. Natürlich darf das auch mal sein und natürlich kann man hier Argumente für Type 405 finden. Wann immer unsere Nahrung uns aber nähren soll, ist die Vollkornvariante absolut vorzuziehen! Mehr Infos zu Vollkorn findest du im Artikel “Volles Korn, volle Pflanzenpower”. Ein Must read, wenn du grad noch nicht so sicher bist, ob du mir glauben sollst.
Was denkst du?
Wie isst du denn dein Getreide am liebsten? Über Nacht geweicht oder schön warm aus dem Topf? Mit Obst oder ayurvedisch würzig?
Wissensdurst?
Magst du noch ein bisschen mehr zu den Vorteilen von Vollkorngetreide lesen und ein paar Tipps bekommen, wie du diese gut in deinen aktuellen Speiseplan einbauen kannst? Dann hier entlang zu “Volles Korn, volle Pflanzenpower”.
Referenzen:
C.Leitzmann, M.Keller; Vegetarische Ernährung; 2.Auflage, 2010; Verlag Eugen Ulmer KG
H.Englert, S.Siebert (Hrsg.); Vegane Ernährung; 2016, Haupt Bern
B.Watzl, C.Leitzmann; Bioaktive Substanzen in Lebensmitteln; 2005; Hippokrates Verlag
N.Rittenau; Vegan – Klischee ade!; 5.Auflage, 2019; Ventil Verlag UG